Organisation (Gremien & Akteure)

Handlungshilfe

Die Sicherstellung des Produktionsbetriebes und des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes bedarf gezielter betrieblicher, präventiver und koordinierter Aktivitäten zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit während der SARS-CoV-2-Pandemie.

Organisation des Infektions-, Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Betrieb

Zur Umsetzung der Anforderungen des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards und der SARS-CoV-2-Arbeitsschutz-Regel sowie der Arbeitsschutzverordnung sollten in den Betrieben spezielle Krisenstäbe oder Corona-Task-Forces eingerichtet werden. In kleineren Betrieben werden auch im Arbeitsschutzausschuss die notwendigen Maßnahmen geplant und die Umsetzung beschlossen.

Die personelle Besetzung der zu bildenden Krisenstäbe oder der eingerichteten Corona-Steuerkreise sollte arbeitgeberseitig so gewählt werden, dass damit die gesamte Wertschöpfungskette des Unternehmens abgebildet wird, die Beratung durch die Arbeitsmedizin und die Fachkraft für Arbeitssicherheit erfolgen kann und die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates Berücksichtigung finden.

Wichtig ist, dass in einem Pandemieplan die unbedingt für die Produktion notwendigen Prozesse analysiert und bewertet, sowie die Vorgehensweisen, Verantwortlichkeiten und Kommunikationswege festgelegt werden.

Die innerbetriebliche Information und Kommunikation sind unter der Einbindung und aktiven Beteiligung der obersten Ebene des Managements wesentliche Bausteine einer erfolgreichen betrieblichen Präventionsarbeit.

Ein Beispiel „guter Praxis“ gibt einen Einblick in die erfolgreiche betriebliche Umsetzung der Maßnahmen zum Infektions-, Arbeits- und Gesundheitsschutz:
 

"In einem großen Unternehmen, dessen Produktion systemrelevant ist, wurde eine Corona-Arbeitsgruppe gebildet, in der alle Bereiche der Wertschöpfungskette durch Bereichs- und Abteilungsleitungen, die leitenden Fachkräfte des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie bis zu vier Mitglieder des Betriebsrates („als Sprachrohr der Beschäftigten und zur Prüfung dessen, was zumutbar ist“) vertreten sind. Das Gremium hat zu Beginn der Corona-Pandemie täglich getagt, hat diese Arbeitstreffen mit wachsender Sicherheit im betrieblichen Handeln auf einen wöchentlichen Rhythmus reduziert. Bei der regelmäßigen Arbeit des Krisenstabes ist auch die Erkenntnis gewonnen worden, dass es sinnvoll ist, die gesamte Wertschöpfungskette durch Integration zuständiger Funktionsträger*innen abzubilden."
 

Die personelle Besetzung des Krisenstabes reduziert sich in mittelständischen Unternehmen häufig auf eine Vertretung der Geschäftsführung, die verantwortliche Produktionsleitung und den/die Betriebsratsvorsitzende/n, die Arbeitsmedizin, die Sicherheitsfachkraft und die Personalleitung.

In kleinen Unternehmen wird der Arbeitsschutzausschuss (ASA) als Gremium für die Beratung von Maßnahmen genutzt.

Bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und der Umsetzung der notwendigen Maßnahmen zum Infektionsschutz hat sich der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin von den bestellten Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzt*innen beraten zu lassen sowie mit der betrieblichen Interessenvertretung unter Beachtung der Mitbestimmung abzustimmen.

Das veröffentlichte Handbuch Betriebliche Pandemieplanung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) führt beispielhaft an, dass zu dem sogenannten Planungsstab Personen mit folgenden Funktionen gehören könnten:

  • Betriebsleitung
  • Personal
  • Finanzen
  • Gebäudetechnik, Werkschutz
  • Betriebsgesundheitsdienst/Arbeitssicherheit
  • EDV/Bürokommunikation/IT
  • Arbeitnehmervertretung
     

Aufgaben der Betriebsärzt*innen während der SARS-CoV-2-Virus-Pandemie:

In der vom Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) erarbeiteten Beschreibung der betriebsärztlichen Aufgaben im Arbeitsschutz wird ausgeführt, dass die Betriebsärzt*innen den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin zu allen Fragen des Gesundheitsschutzes beraten sollen.

Aus den Erkenntnissen des Projektes lässt sich folgende idealtypische Arbeit von betriebsärztlicher Betreuung ableiten - Betriebsärzt*innen bilden innerbetriebliche „Treibende“:

  • Sie führen die arbeitsmedizinische Vorsorge durch, die auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung erfolgt und einen Beitrag zur Beschäftigungsfähigkeit leisten soll.
  • Bei der weiteren Wahrnehmung ihrer Aufgaben klären sie anschaulich und fachkundig die Betriebsverfassungsparteien auf. Dazu werden die aktuellen Veränderungen für die betriebliche Praxis verständlich aufbereitet und digitale Medien genutzt, um zielgruppengerecht zu informieren. Das erfolgt darüber hinaus über alle Hierarchieebenen und Beschäftigtengruppen des Betriebes bis auf die Ebene der Beschäftigten.
  • Sie beraten den Krisenstab, die Task-Force oder den Arbeitsschutzausschutz inhaltlich, vermitteln Anforderungen an die verschiedenen operativen Ebenen, machen Vorschläge für die Gestaltung von Abläufen und führen Tests durch, um das Ansteckungsrisiko zu vermindern.
  • Sie haben aber auch ein besonderes Augenmerk auf schutzbedürftige Beschäftigte und machen in Kenntnis der Arbeitsbedingungen und der Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung Vorschläge für deren betrieblichen Einsatz.

Die dazu erforderlichen zeitlichen Ressourcen gehen teilweise über die Betreuungszeiten der „DGUV 2 Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ hinaus und erfordern bei externen Arbeitsmediziner*innen zusätzliche vertragliche Regelungen.

Unternehmen, die diese Art von Betreuung erfahren, können sicher sein, dass sie bei der Umsetzung der Anforderungen des Infektionsschutzes die Gesundheit der Belegschaft im Rahmen der Möglichkeiten schützen und gesetzeskonform handeln.

Als Beispiel „guter Praxis“ ist von einem Werksarztzentrum für die betreuten Betriebe eine Hotline eingerichtet worden, die von den Beschäftigten und Führungskräften genutzt wird, um sich zu allen coronaspezifischen Fragen zu informieren und beraten zu lassen. Darüber hinaus gibt es regelmäßige „News“ zum Coronageschehen, die in Abständen per Mail verschickt und auf der Internetseite des Werksarztzentrums nachzulesen sind. Zu den Inhalten gehören unter anderem aktuelle Veränderungen im regionalen Infektionsgeschehen und darüber hinaus eine Anzahl von Handlungshilfen, die den Verantwortlichen, aber auch den Beschäftigten Hilfestellung bei der Umsetzung der Anforderungen des Infektionsschutzes geben.

Ein weiteres Beispiel bilden die von einem anderen Werksarztzentrum für die betreuten Unternehmen zu verschiedenen Themen entwickelten Gesundheitsimpulse:

WAZ Fischereihafen - Mentale Gesundheit in der Krise

WAZ Oelde - Mobiles Arbeiten

Aufgabe der Fachkräfte für Arbeitssicherheit während der SARS-CoV-2-Virus-Pandemie:

Die Fachkräfte für Arbeitssicherheit sollen gemeinsam mit den Betriebsärzt*innen den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin in allen Fragen der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten beraten und unterstützen und dabei die Unterrichtungs- und Beratungspflichten gegenüber dem Betriebsrat wahrnehmen.

Dabei sollen sie „präventiv tätig sein, kooperativ und partizipativ vorgehen, aktiv die erforderlichen betrieblichen Aufgaben aufgreifen und konkret helfend lösen“.

Dies gilt insbesondere zu folgenden Aufgabengebieten:

  • Ermitteln und Beurteilen von arbeitsbedingten Unfall- und Gesundheitsgefahren und von Faktoren zur Gesundheitsförderung. Das erfordert die Analyse, Beurteilung und Dokumentation von Risiken durch physikalische, chemische und biologische Gefährdungs- und Belastungsfaktoren sowie durch physische und psychische einschließlich psychosozialer Belastungen der Beschäftigten,
  • Vorbereiten und Gestalten sicherer, gesundheits- und menschengerechter Arbeitssysteme auf der Basis einer Gefährdungs- und Belastungsanalyse,
  • Integration von Sicherheit und Gesundheitsschutz in Management und Prozesse; Einbindung in die betriebliche Aufbau- und Ablauforganisation,
  • Initiierung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses von Sicherheit und Gesundheit mit dem Ziel, dass Sicherheit und Gesundheitsschutz bei allen Tätigkeiten beachtet und in die betrieblichen Führungsstrukturen eingebunden werden.

Bei der Charakterisierung der Wahrnehmung der genannten Aufgaben lassen sich auch bei den Fachkräften für Arbeitssicherheit unterschiedliche Typen bilden.

In Großbetrieben sind häufig eine Vielzahl von Fachkräften mit unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten vorhanden. Die leitende Fachkraft für Arbeitssicherheit ist in diesen Unternehmen Mitglied des Krisenstabes und bringt dort das vorhandene Fachwissen bei der Gestaltung des Infektionsschutzes in die Handlungshilfen zur Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation ein. Bei der konkreten Umsetzung der Maßnahmen vor Ort sind die weiteren Fachkräfte tätig, unterstützen die Führungskräfte und sind auch Ansprechperson für die Beschäftigten.

In mittelgroßen Betrieben übernehmen die Fachkräfte für Arbeitssicherheit, sofern sie im Unternehmen angestellt sind, vielfach auch die Funktion des „Kümmerers“ beziehungsweise der „Kümmerin“. In dieser Rolle sind sie die direkte Ansprechperson in der Produktion bei der Beschaffung und Verteilung von Arbeitsschutzartikeln, Beschaffung von Aushängen und Schildern, Durchführung von Unterweisungen und Begehungen sowie Kontrolle der Maßnahmenumsetzung.

Externe, über Verträge gebundene Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind häufig weniger stark in die betriebliche Praxis eingebunden und beschränken sich meist auf eine beratende Rolle. In Klein- und Kleinstunternehmen nimmt die Einbindung der Fachkräfte immer weiter ab, so die Erkenntnis im Rahmen des Projektes, bis zu solchen Fällen, dass sie aufgrund der coronabedingten Infektionsgefahren und dem damit verbundenen Zutrittsverbot für Betriebsfremde ihre Rolle überhaupt nicht mehr ausfüllen.

Die Fachkräfte für Arbeitssicherheit haben aber eine wichtige Rolle bei der Anpassung der Gefährdungsbeurteilung aufgrund coronabedingter Veränderungen:

DGUV - Rolle und Aufgaben der Fachkraft für Arbeitssicherheit

DGUV - DGUV Vorschrift 2

Beteiligung des Betriebsrates:

Die Herausforderungen der epidemischen Lage erfordern zu ihrer Bewältigung eine Stärkung der organisatorischen und individuellen Resilienz und damit eine Unternehmenskultur, die auf Wertschätzung, Beteiligung und Vertrauen basiert.

Umgesetzt in die betriebliche Praxis bedeutet dies, dass die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen des Infektions-, Arbeits- und Gesundheitsschutzes auf einer sozialpartnerschaftlichen Zusammenarbeit aufbaut. Der Betriebsrat ist somit von Anfang an als akzeptierter Partner in die Entscheidungsfindung insbesondere unter Berücksichtigung seiner gesetzlichen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte einzubinden.

Im § 80, Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz wird dem Betriebsrat die Aufgabe zugewiesen, „darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden“. Darüber hinaus soll der Betriebsrat nach § 80, Absatz 9 Maßnahmen des Arbeitsschutzes fördern.

Im § 87, Absatz 1 Nr. 7 wird dem Betriebsrat ein generelles Mitbestimmungsrecht im Arbeitsschutz zugewiesen, wenn Rahmenvorschriften bestehen, die dem Unternehmer/der Unternehmerin Gestaltungsspielräume bieten, die durch konkrete betriebliche Regelungen ausgefüllt werden müssen. Dieses Mitbestimmungsrecht besteht insbesondere bei der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes (Bildung eines Krisenstabes oder einer Task-Force zum betrieblichen Infektionsschutz), bei der Übertragung von Aufgaben des Arbeitsschutzes auf Beschäftigte und der Gefährdungsbeurteilung (die im Rahmen der Maßnahmen zum Infektions-, Arbeits- und Gesundheitsschutz überarbeitet werden muss).

Es ist sinnvoll eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, die die Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Umsetzung der Anforderungen des Infektions-, Arbeits- und Gesundheitsschutzes konkretisiert.   

Wird der Arbeitsschutzausschuss als Entscheidungsgremium für die Umsetzung von Maßnahmen genutzt, ist die Teilnahme des Betriebsrates gemäß § 11 des Arbeitssicherheitsgesetzes geregelt.

Die Beteiligung des Betriebsrates wird in verschiedenen Unternehmen als wesentlicher Bestandteil der Strategie zur Umsetzung und Akzeptanz der geplanten Maßnahmen bei den Beschäftigten gesehen („Betriebsrat hat eine wichtige Rolle als Sprachrohr der breiten Masse“).

Die Mitwirkung des Betriebsrates bei der Information und Kommunikation wird als Erfolgsfaktor bewertet (Zum Beispiel bei der Durchsetzung der Tragepflicht von Masken oder beim Abstand halten in den Raucherzonen).

In einem anderen Fall hat der Betriebsrat die Initiative zur Beteiligung bei der Umsetzung der Anforderungen der Corona-Arbeitsschutzregel ergriffen, Kontakt zum Management aufgenommen und damit seine Mitbestimmungsrechte eingefordert und wahrgenommen.

HBS - Mitbestimmungsrechte